Es gibt keine großen Schlösser mit Ranken am Fuß, die sich sowohl harmonisch als auch wüst wild den Turm hinauf schuften. Es gibt keine Erdlöcher, in die man fällt, um später heroisch gefunden und wachgeküsst zu werden. Es gibt auch keine Zaubersprüche, keine Kürbiskutschen, keine idyllischen Schneelandschaften mit purpurnem Magiestaub und schon gar keine sprechenden Tiere, die einem dem Weg ins Königreich ebnen und dich reich machen.
Was es gibt ist globale Erwärmung. Polkappenschmelzen, glatte Straßen. Schnelle Autos auf Highways, aggressive Menschen mit Bomben und irrgeleitete Individuen, die dir nichts Gutes wollen.
Vor circa 6 Monaten sind zwei Typen auf der eingefrorenen Straße hingefallen und haben sich die Rückenwirbel stark angeprellt. Da es sich um eine sehr abgelegene Straße, außerhalb von Brandenburg – sie waren auf der Suche nach Neuem – handelte, fand niemand die Beiden. Für ganze neun Wochen lagen sie im Dreck. Im Moos. In Kienäpfeln und Würmern. Sie lagen einfach dort. Zu schwach zum reden. Zu schwach zum rufen. Zu schwach um zu denken. Versuchten sich warm zu halten. Sinnlos. Die Kälte fror die Adern ein. Die Augenlider wurden schwerer und fielen schlussendlich einfach zu.
In den Gedanken der Menschen würde die Geschichte nun mit einem Ritter, einem Prinzen, einen Actionheld oder einem Fabelwesen weitergehen. Jemand kommt. Fightet sich den Weg durch die Brandenburger Waldstraße. Flitzt strahlend an den Riesenwürmern und verzauberten Killer-Äpfeln vorbei – hin zur geliebten blonden, rothaarigen, schwarzen Meerjungfrau, Prinzessin, Hexe oder Dienstmagd. Ein Kuss links, eine Backpfeife rechts und schon erstrahlt der Horizont in leuchtend blauem Licht und dieses leuchtende Blau schaut seinem Held ins Gesicht, schmunzelt, springt rittlings quicklebendig auf des Heldens Gaul und reitet mopsfidel die Treppe rauf in Königshaus.
Nicht aber bei unseren Zweien.
Die Sonne strahlt. Das I-Phone singt wie üblich alle 3 Minuten sein Push-Funktions-Song „Bling“ und zeigt mit geschwollener kratzfesten Digitalbrust: „comment-reply@wordpress.com“ an. Schnell den Slidebar nach rechts geschupst. Nach knappen sechs Monaten ist scheinbar jemand des Weges gekommen und hat etwas gehört. Zweiten Button von unten links gedrückt und mit dem Mittelfinger das Sichtfenster nach unten geschossen…da steht es: „New comment on your post “Die Doktorspiele sind vorüber – der Sandkasten definiert die Zukunft!”“ – Autor: Isa.
Blut fließt wieder durch die Adern. Fingerspitzen werden warm und fangen an zu zucken. Der Duft des Waldes wird stärker und wandert tiefer in die Nasennebenhöhlen. Doch noch ist kein Blut im Herzen angekommen. Isa! Isa! Isa! – Danke Isa!
Schnell weiter scrollen und schauen was Isa schreibt.
Mhhh unser Ritter, Prinz, Actionheld oder Fabelwesen hat eine rostige Rüstung. Die türkisfarbende Hutfeder hat kaum noch Federäste und sieht armseelig aus. Sprunggelenke des Kick-Foot sind verrostet und der magische Zauber ist gänzlich verflogen. Das, was Isa dort schreibt ist so typisch und vorhersehbar, wie das Amen in der Kirche. So schade, da die, die die Jungs wieder gefunden hat, nicht versteht, was genau sie da eigentlich liest. Aber wie Gott schon damals zu unseren beiden ohnmächtigen Männern sagte: „Ihr könnt euch nicht um alle Schäfchen kümmern!“
Es pumpt. Es schwillt an. Es pulsiert und bewegt sich wieder. Zusammen. Zu zweit. Nebeneinander. Warm, voll und stark wie noch nie. Auch wenn Isas Gaul kaum sie selbst tragen kann, reichte ihr Besuch doch, um uns wieder ins Leben zu rufen. Uns wieder aufstehen zu lassen. Uns wieder schauen und staunen und schreiben zu lassen. Und nachdem in den vergangenen sechs Monaten eine Menge Gras über die Burschen gewachsen ist, wird die Gosse nie sauber sein. Danke Isa.
Read u soon!
ttyialw Gosse Guy
Ps. Oder es liegt einfach nur am Sommer!
Freiherr Adolph Franz Friedrich Ludwig Knigge 2.0
Posted in gosse guys, Kennt man doch. with tags 2.0, adden, Benimm, comment, Facebook, Freiherr Adolph Franz Friedrich Ludwig Knigge, Knigge, social network, socializing, web 2.0 on 13. August 2011 by kayservanzoonen„Hallo xxx – sag mal warum hast du mich denn als Freund gelöscht?“
Diesen Satz hat bestimmt schon jeder, der sich und seine Seele auf Facebook verglast hat, schon ein mal gehört. Im ersten Moment denkt man dann „ohhh man – wir haben uns ein oder zwei mal gesehen.“ Geadded – warum? Naja wir haben uns an diesem einen Abend gut unterhalten und warum auch nicht. Wer weiß, was passiert. Nur leider stellte sich heraus, dass man sich nicht so viel zu sagen hat. Also löschen. Sei mal ehrlich – brutal, aber so ist es.
Seit August 2011 tummeln sich 20,109 Millionen Deutsche User auf unserer Lieblingsseite rum. Adden, löschen, kommentieren, liken, disliken, beitreten, vorschlagen, uploaden, blocken, stalken, spamen, nerven oder einfach nur amüsieren. So sieht der alltägliche Wahnsinn nach dem Log In aus. Das machen doch alle so. Oder nicht?
Einige sind aktiver, einige passiver. Jedem Tierchen sein Pläsierchen. Das Web 2.0 ist eben eine irgendwie andere Welt, in der wir uns auch irgendwie anders verhalten (dürfen). Anonym, aber dennoch offen. Schön so und gut so, denn war es nicht auch so gedacht?
Was passiert aber, wenn sich „Freunde“ vor den Kopf gestoßen fühlen, wenn man sie löscht? Was passiert, wenn ich Listen anlege und überlege, wen pack ich wo rein? Ist das noch Beruf oder eher Privat? Mhhh brauch ich eine „Bervat“-Liste? Was ist, wenn ein Freund aus meiner Freundesliste einem Comment hinterlässt und den einer aus der „Berufsliste“ liest und fragt „was soll das, willst du nicht alles mit mir teilen?“ Da wird Facebook anstrengend. Dann wird aus dem Glas eine Schlingpflanze oder ein Schienbeinkrampf – unangenehm.
Ich selber wehre mich dagegen, Listen anzulegen, mich zu rechtfertigen oder darauf zu achten, wie sich der ein oder andere fühlt, wenn von den 367 Freunden nur noch 366 da steht. Wer kriegt das denn überhaupt mit? Und warum regen die sich auf, wenn man sie löscht, wenn sie eh nicht mit einem interagieren.
Dennoch und das liegt an meinem Gemüt, liess es mich auf den Gedanken kommen: „Braucht es neben dem Tür aufhalten, der Rechnung bezahlen, die Ellbogen nicht auf den Tisch legen und und und plötzlich auch ein Social Network Benimmratgeber? Quasi ein Freiherr Adolph Franz Friedrich Ludwig Knigge 2.0?
Ist es nicht so, dass wenn ich morgens das Haus verlasse und zu Arbeit, zur Uni oder in die Schule gehe, ich versuche mich anständig zu benehmen? Mein Umfeld so zu behandeln, wie es mir Mami & Papi beigebracht haben? Ich bin freundlich, ehrlich, umgänglich und einfach ein freundlicher Mensch. Wenn ich dann nach Hause komme, bin ich ganz ich. Ich in meinen vier Wänden. Ich rufe an wen ich mag, ich schaue im TV was ich mag, ich koche mit wem ich mag, ich socialize mit wem ich mag. Ich laufe nackig rum wie ich will, habe die Gedanken die ich haben will und entscheide selbstständig, was ich wie mache. Wenn ich ins Netz abtauche führt sich das doch nur fort. Ich kommentiere bei wem ich mag, ich schaue Bilder an von dem ich es mag, ich adde wen ich mag und schlussendlich lösche ich auch wen ich mag. Ist ja nicht so, als würde da gleich jemand vor meiner Tür stehen und mich zur Rechenschaft ziehen.
Warum also, fangen die Leute bei Facebook an angepisst zu werden? Liegt es an einem selber, dass man sich vielleicht zu ignorant, zu anonym, zu egoistisch durchs Web klickt, oder vergessen die auf der anderen Seite des Bildschirms einfach, dass es manchmal mehr bedarf als nur ein „FreundIn hinzufügen“ Button, um ein wirklich sozialen Kontakt aufzubauen?
Da ich kein Arsch bin und mir die Person neulich lange auch nicht aus dem Kopf ging….warum hast du mich gelöscht?…frage ich mich: „Wie benehme ich mich kniggisch auf Facebook?“
„Sehr geehrter Herr / Frau xx, ich sah ihr Profil und bemerkte, das sie auch mit einigen meiner Freunde bekannt sind. Bestünde vielleicht die Möglichkeit, dass wir uns hier auf Facebook auch befreunden könnten?“
„Hallo xx, leider muss ich dir mitteilen, dass nach dem Adden vergangenen Monat mein Interesse an deiner Person geschwunden ist und ich dich daher sehr gern löschen würde. Es liegt aber nicht an dir.“
„Ich will auch mal richtig wilde Bilder von mir beim Feiern reinstellen, welche wo mich nicht immer gleich alle meine Kollegen sehen und denken, man der ist ja inkompetent, daher lieber eine Liste erstellen!“
Sollte das so ablaufen? Das funktioniert ja schon im echten Leben nicht. „Oh ich habe ihn neulich wieder in einer Bar gesehen. Man der sah so gut aus, aber ich trau mich nicht ihn anzusprechen. Daten in real life ist schon brutal und kann nicht jeder. Socializen in der echten Welt, kann schon Probleme für den einen oder anderen heraufbeschwören. Warum daher diese Probleme auch mit ins Netz nehmen. Nach Feierabend schön an den Rechner und den ganzen Ballast mit einloggen. Nein! Damit wäre doch denen, die Facebook als ihre Welt sehen und nutzen überhaupt nicht geholfen. Warum dürfen die User auf Facebook nicht einfach so sein, wie sie sind, wenn die Wohnungstür nach einem 10h Tag Arbeits-, Uni- oder Schultag zu Ende geht? Und sind es diese Leute, die an ihren Manieren etwas ändern sollten, oder vielleicht die, die einen ankacken. Selbstreflektion und Ehrlichkeit ist manchmal eben einfach das Schwerste.
„Sorry xx, aber wir haben uns leider nur einmal gesehen und es tut mir auch leid, aber mehr war da auch nicht!“
ttyialw Gosse Guy
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